Bangldesh


Ein unwahrscheinliches Land

Bangladesh
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Städte in Bangladesh: Chittagong und Cox Bazzar

Chittagong

Ein paar Kilometer nördlich von Chittagong mit mehr als 2 Mio Einwohnern am Golf von Bengalen hat sich eine Industrie entwickelt, die dem normalen Mitteleuropäer die Nackenhaare hochstehen lässt: Abwracken ausgedienter Ozeanriesen von barfü.igen Arbeitern auf dem Strand.

Schiffsverschrottung am Strand

Im Wrack wird die nicht zu gebrauchende Kunststoffisolierung ausgebrannt

Der Markt

44.000 Hochseeschiffe befahren die Weltmeere. Ungefähr 700 davon werden weltweit jedes Jahr verschrottet: Frachter, Kühlschiffe, Großfähren, Tanker, Passagierschiffe und (viel zu wenige) Kriegsschiffe.

So ein Pott bringt ungefähr 0,75 - 1,5 Millionen US$, ein Markt von rund 1 Milliarde US$ also. Ist es da ein Wunder, dass es ziemlich mafiös zugeht? Echte Zahlen sind selten. Die drei im Jahre 1976 gebauten Tanker “Boree”, “Once” und “Chaumont” wurden für 7,4, 6,25 und 6,01 Mio U$ an Abwracker in Bangladesch und nach China verkauft.   

Die ausgedienten Ozeanriesen werden auf der ganzen Welt zum Schrottpreis angekauft. Windige Reedereien sind oft froh, die alten Pötte los zu werden. Mehr bekommen sie nur noch von der Versicherung, wenn sie die Dinger auf hoher See abgluckern lassen. Das funktioniert aber nur einmal alle 100 Jahre.

Seriöse Reedereien sind auch nicht besser. So mancher Kahn der alten DDR-Flotte ist hier in den 5 - oder 6m dicken Schlick gesetzt worden. Den Dänen kam vor einiger Zeit die Fähre Kong Frederik IX "abhanden". Zwar hatten sich dänische Werften um den Auftrag beworben, aber der Kahn war schon weg. Umgetauft auf "Frederik" schwamm er mit einer Flagge aus dem karibischen Ministaat St. Vincent schon im Indischen Ozean zum Abwracken in Südasien, als der Verlust bemerkt wurde.

Die "Deutschland", das Schulschiff der Bundesmarine wollte 1993 keine Werft der Welt abwracken. 6 Tonnen Asbest steckten in den Ausbauten. Das Gift liegt jetzt irgendwo am Strand in Indien - Greenpeace weiß so etwas. Es folgten so bekannte Schiffe wie das Fährschiff "Theodor Heuss" des Deutschen Fährdienstes Ostsee / Deutsche Bahn AG, die Erzfrachter "Saar Ore" und "Neckar Ore" der Krupp Seeschifffahrt in Hamburg, die Containerschiffe "Barbican Star" und "Barbican Spirit" der Deutschen Afrika Linien in Hamburg und das Containerschiff "Columbus New Zealand" der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschiffahrtsgesellschaft. Wenn das kein Markt ist!

Die Schadstoffe

Egal, lass doch stinken!

Die Isolierung wird abgefackelt

Es ist wie immer. Jeder weiß, dass ein Hochseeschiff eine schwimmende Giftmülldeponie ist, dass 500 dieser Schiffe jährlich von Barfüßigen an Stränden entsorgt werden - gottseidank schön weit weg von unserer Haustür.

Also macht man in der schönen Stadt Basel einen noch schöneren Kongress im Herbst 2004 und 163 Mitgliedsstaaten ratifizieren feierlich Abmachungen und stellen fest:

Ein Schiff ist laut Basel-Konvention "kontaminierter Metallschrott!"

Und was passiert? Nichts!

Dabei haben die Kähne es wirklich in sich. Schiffe aus den Baujahren um 1970 enthalten hohe Mengen an Schadstoffen, wie z.B. Asbest (bis 6t), PCBs und giftige Schwermetalle wie Cadmium-, Arsen-, Blei-, Chrom-, Kupfer- und Zinkverbindungen. Die Unterwasser-Außenwand bei Schiffen der Siebziger ist mit giftigen Antifoulingfarben gestrichen, die Tributylzinn (TBT) enthalten. Das Bilgenwasser und die abgefackelten Isolierkunststoffe, Lacke und die Betriebs- und Schmierstoffe zählen da schon gar nicht mehr.

Die Schiffsfriedhöfe der Welt

Indien

Die größte "Abwrackwerft am Strand" ist in Alang an der
Westküste Indiens im Staate Gujarat und in Bombay. Hier
arbeiten zwischen 30.000 und 40.000 Menschen. Wenn es
auch ein bis 2 Monate dauert, bis ein Schiff abgewrackt ist,
hier verschwindet jeden Tag mindestens eines, werden bis
zu 9 Millionen Tonnen Stahl im Jahr verarbeitet, 15 % des
indischen Bedarfs vor der Jahrtausendwende.


China

China hatte bis Anfang der 90er-Jahre die meisten Schiffe zum Abwracken aufgekauft
Türkei

In Izmir sitzt das größte Abwrackwerk der Türkei.
Was im Abwrackgeschäft so vor sich geht, veranschaulicht der Artikel der Neuen Züricher Zeitung.

Manche Länder sind da besonders clever und packen noch eine Tonne Asbest extra dazu. Wie die Holländer. Aber die Türken hatten es dieses Mal bemerkt.
Bangladesh

Es wird gesagt, der Strand von Chittagong ist sozusagen die einzige Eisenerzmine des Landes.

Hier sind sogar die Listen der verschrotteten Schiffe zu finden.

Beaching

Im Web Suchworte wie Ship beaching, Ship breaking, Abwracken usw. als Suchbegriffe eingeben: Hier werden Sie Ihren Dampfer los!

http://www.treehugger.com/files/2006/03/end_of_the_line.php

http://www.ilo.org/public/english/protection/safework/sectors/shipbrk/shpbreak

Wirklich: GSM bietet das an...
"Die Dampfer kommen mit eigener Kraft hier an und werden mit voller Maschinenleistung ans Ufer gedonnert, was hier "beachen" genannt wird" schrieb ein Kapitän aus der ehemaligen DDR.

So ein Kahn in einen Industrieland zu zerlegen und das Bilgenöl, die Kunststoffisolierung, die Schmierstoffe und viele hundert verschiedene Giftstoffe (z.B. Tonnen von Asbest) zu entsorgen, ist teuer.

Hier nicht. Was brennt wird abgefackelt, was flüssig ist, ins Wasser gelassen. Wo ist das Problem? Mit Hammer und Meißel werden die Nieten von zehntausenden halb nackter Arbeiter weggeklopft, schwere Flexscheiben und Schweißbrenner zerlegen an Ort und Stelle die Riesen in handliche Stücke. Kräne gibt es an der ganzen Küste nicht einen einzigen.

In die Stücke werden Löcher geschweißt und Stahlseile befestigt, bevor alles ins Wasser fällt. Am Strand stehen alte Schiffsmaschinen und treiben Winden an. Diese ziehen die tonnenschweren Platten der Schiffsrümpfe, der Aufbauten, Spanten und Wanten, die Motorblöcke, die schweren Wellen mit viel Kraft durch den Schlick an Land.

Arbeitsbedingungen

Die Arbeitsbedingungen für das Abwracken der Schiffe am Strand sind so lausig wie nirgends sonst auf der Welt, der Verdienst und die Todesrate wohl auch. Hitze, der Gestank nach verbrannter Plastik und Chemie, nach Öl kommen hinzu. Kein Kran nimmt hier mühelos die schwerste Arbeit ab. Einzig eine Winde zieht die schweren Teile durch das Wasser an Land. Arbeitskleidung? Man sieht es auf dem Bild.

Sogar der Versuch, hier die Aufnahmen zu machen oder gar mit den Leuten zu sprechen, war gefährlich. Kashim ließ immer den Motor des Toyotas laufen und die Beifahrertür offen. Es dauerte auch keine Minute und die Europäer wurde mit "harten" Argumenten vertrieben.

Cox Bazzar

Weiter nach Süden in Bangladesh kommt man nicht. In Cox Bazar ist die Welt zu Ende. Alle Bilder sind kurz vor der burmesischen Grenze gemacht. Eine Straße gab es hier nicht. Man fährt einfach am Strand entlang. Von Cox Bazar sind es dann noch 70 km Sandstrand bis zu einer der letzten richtigen, nämlich nicht zu überquerenden Grenze.

Die 150 km südlich von Chittagong am Golf von Bengalen liegende kleine Stadt wurde nach einem englischen Leutnant Cox der East India Company benannt. Er starb hier 1798. Die Engländer schreiben den Ort mit nur 61.000 Einwohnern, für bengalische Verhältnisse erstaunlich wenig, Cox's Bazar.

Mit 6 oder 7 Jahren fand der Autor diesen damals so exotisch klingenden Namen mal in einem Atlas. Von nun an stand fest, da muss er mal hin, da, ans Ende der Welt. Tatsächlich, es ist wirklich das Ende der Welt!

Das war in den 90er-Jahren eine sehr einsame Gegend.

Jetzt leben da die Rohingya.

Es ist das Einzige, was man in der heruntergekommenen Stadt Cox Bazzar machen kann: An den endlosen Strand fahren. Ein schmaler Streifen entlang der östlichen Seite des Golf von Bengalen gehört noch zu Bangladesh. Hinter den Hügeln beginnt Burma oder Myanmar.

Der Streifen ist dünn besiedelt. Platz für Felder als Lebensgrundlage gibt es nicht. Das Meer ist trübe vom größten Delta der Welt. Fischer waren deswegen nirgends zu sehen. Dieser Strandstreifen gibt einem das seltene Gefühl, wenigstens einmal in diesem überbevölkerten Land richtig durchatmen zu können und alleine zu sein. Bis auf die Kinder, die plötzlich aus dem Nichts auftauchten, waren keine Ansiedlungen und kaum Hütten vom Strand aus zu sehen.
Die Überraschung am Strand sind die in großer Zahl vorkommenden knallroten Krebse.

Die Stielaugen der Dentropoda, der
Zehnfüßer, sehen alles und es hat 30 Minuten gedauert - und einen Sonnenbrand auf dem Rücken - bis die Aufnahme im Kasten war. Sie halten Ausschau nach Raubvögeln
und sonstigen Feinden.

Leider sehen sie nicht
herannahende schnelle Autos. Vor vielen Jahren sollen es aber Millionen gewesen sein. Die überfahrenen Krebse werden sofort von ihren Artgenossen aufgefressen, aber ein schlechtes Gewissen bleibt.

Diese seltene Naturschspiel mit den auffallenden Krebsen dürfte es 2018 nicht mehr geben.

Hier leben jetzt die aus Myranmar vertriebenen Rohingya. Seit August 2017 sind 630.000 über die Genze hier an diesen Strandabschitt gekommen
Wenn hier jetzt eine halbe Million Rohingyas leben, bedeutet es das Aus für die Rote Soldatenkrabbe 

Rote Soldatenkrabbe am Golf von Bengalen

Freundliche Kinder am Strand weit südlich von Cox Bazar. Sie bettelten nicht - eine kleine Sensation angesichts von Europäern.

Sie gingen auch nicht weg. So
etwas erlebt man hier ja nicht alle
Tage: Fremde. Sie gaben sich mit
den 3 leeren Bierbüchsen
zufrieden...

Cyclon

Hier, an diese Küste, treffen die
Home Dhaka Khulna jährlichen Wirbelstürme mit ungeheurer Wucht als erstes auf das Land.

Sie heißen hier Cyclon, auf deutsch Zyklon. Weiter im Osten sind es Taifune und Amerika nennt sie Hurrikane.
Na ja, aber festgefahren haben wir uns später doch.

Man erlebt ja sonst nix...
Endlich da. Am Ende der Welt.

Träume eines kleinen Jungen

DAS BUCH DER BÜCHER

Ja, das war wirklich das Buch, dass das spätere Leben stark beeinflusst hat. Nein, nicht dieses E eine, wo Generationen von Klerikern ihr Leben lang referieren. Es war ein Atlas, mehr noch, ein Foliant. Ich entdeckte es so mit 4 im schwarzen Bücherschrank mir der Glastür. im Berliner Zimmer. Das Buch war so groß und schwer, dass ich es nicht tragen konnte. Fortan ließ es mich nicht mehr los. Da waren auch noch auf Leinen aufgezogene große Geländekarten. Später erklärte man mir, dass min Opa Kartolithograpf gewesen ist. Erklärte das die Herkunft dieses bestimmt teuren Bandes?

Ab sofort wurde jeder terrorisiert der Lesen konnte und in die Nähe kam. Was ist das? Was ist das Braune? Berg. Und warum ist hier alles Braun? Das ist die Schweiz. Und das Eckige? Spanien. Der Tiger. Der Stiefel. Micky-Oma nahm sich jede Zeit. Wo geht diese Straße hin? Nach Österreich. Umblätter und weiterverfolgen, Türkei, Persien, Afghanistan, aha, Wüste. Was heißt das? Ra-wal-pin - di-was für ein Name! Indien und da, ganz am rechten Rand, Endete der schwarze Strich. In Cox-Basar, ein Name, den ich nie wieder vergessen habe. Genau wie mein erstes spanische Wort. Tante Marlis wurde festgehalten als sie vorbeilaufen wollte. Was ist das in dem viereckigen Land? Die Sierra Nevada, das Schneegebirge.

Micky-Oma hatte einen genialen Einfall. Da waren bunte, handgezeichnete Sammelbilder mit einer. komischen roten Kaffeekanne drauf. Kaisers-Kaffee hatte die Bilder vor dem Krieg ausgegeben. Wir ordneten die Bilder den Karten zu. Die Maya nach dem dünnen Mittelamerika, die Inkas nach dem Zipfel da unter, den Tiger nach Indien. Die Länder bekamen ein Gesicht. Bald konnte ich alle Bilder wieder rausnehmen und sie selbst  wieder zuordnen.

Da war ich 4 Jahre alt. Mit vielen anderen Orten der Welt hat es übrigens auch geklappt.

(Ausschnitt aus den für immer nicht veröffentlichten Memoiren: Schlüsselkind.)


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