Handbuch der Malediven



Kapitel 2 
Knochenfische

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Ordnung der Kugelfischverwandten - Tetraodontiformes

Seite 2

Fortsetzung: Drückerfische - Balistidae 

Tüpfeldrückerfisch  Balistoides viridescens (Bloch & Schneider, 1801)

E: Titan triggerfish , F: Baliste olivâtre, J: Gomamongara , D: Maa rondu


(140 Bilder im Archiv)

Größe: ca. 70 cm, Tiefe: 2 m                                     Embudu, Süd-Male-Atoll, 2011

Ausnahmsweise mal friedlich. Kampfgewicht? 10 kg!

Größe: 70 cm, Tiefe: 1 m                                                       Ellaidhoo, Ari-Atoll, 1993

Tüpfeldrückerfisch  Balistoides viridescens (Bloch & Schneider, 1801)
Tüpfeldrückerfische, auch Titan-Drücker, oder Riesen-Drückerfisch, werden 75 cm groß und sind dann 10 kg schwer. Es sind die auffälligsten Fische an den Malediveninseln und ein jeder dürfte schon Bekanntschaft mit ihnen gemacht haben. Einmal im Monat bläst er sich am Grund einen Platz für ein Gelege frei und das verteidigt er für 24 Stunden sehr aggressiv gegen alles, was in die Nähe kommt.

Meistens belässt er es bei einer Scheinattacke, aber eben nicht immer wie nachfolgend beschrieben. Das Bild hier zeigt den etwas gestörten Bruno in ziemlich böser Absicht.

Vorkommen: Rotes Meer, Indo-Westpazifik.

Größe: ca. 60 cm, Tiefe: 2 m                                     Embudu, Süd-Male-Atoll, 2008

Ein „vollkommen friedlicher“ Tüpfeldrückerfisch  Balistapus viridescens,
umgeben von seinen Freßfreunden
Gelbgesichtsdrücker
Pseudobalistes flavimarginatus

Nicht verwechseln

Es gibt noch einen Drücker mit dieser (für einige) furchterregende Gestalt. Er ist etwas kleiner (max. 60 cm) und hat eine glattes Gesicht. Er wird hier behandelt.

Körperbau

Die Schwanzregion des Tüpfeldrückerfisches ist beschuppt. Der Schwanzstiel ist mit 4 1/2 Reihen Stachelschuppen besetzt, seine Schwanzflosse ist leicht gerundet. Seine Grundfarbe ist bräunlichgrau, und die Körperseiten sind hellsandfarben. Jede Schuppe hat einen dunklen, sandfarbenen Fleck. Die Flossen sind schmutziggelb. 

Größe: 70 cm, Tiefe: 1 m          Embudu, Süd-Male-Atoll, 2008

Digitale Kameratechnik macht es möglich. Makroaufnahme von einem vorbei schwimmenden Tüpfeldrücker. 

Die Drückerfische haben keine Feinde und sind an den Inseln an Menschen gewöhnt - wenn sie gut gelaunt sind.

Ganz schön bemoost der Kerl.

Größe: 70 cm, Tiefe: 1 m                 Embudu, Süd-Male-Atoll, 2008

Die Augen stehen weit hervor und wirken durch die auffällige Farbe noch größer. Wenn er angreift, rollt er wild und furchterregend mit den Augen.

Größe: 70 cm, Tiefe: 1 m                 Embudu, Süd-Male-Atoll, 2008

Größe: 60 cm, Tiefe: 2 m           Embudu, Süd-Male-Atoll, 2008

Die Zähne sind rund und kräftig können sie zubeißen. Was immer ins kleine Maul passt: er kann es knacken. Im Unterkiefer sind es zwei mächtige Hauer, die oberen sind kleiner und spitzer. 

Auch Drücker müssen sich reinigen lassen. Bereitwillig spreizt er alle Flossen ab und öffnet das Maul so weit es geht.

Der auf dem Bild nebenan hat übrigens vor Wut über sein Spiegelbild in das Gehäuse der Kamera gebissen.

Schlafen

Größe: 70 cm, Tiefe: 1 m          Kuramathi, Rasdu-Atoll, 1987

Zum Schlafen legen sie sich einfach im Schutz einer Koralle auf den Boden. Wenn sie eine Höhle finden, klemmen sie sich mit dem Rücken- und Bauchstachel nach Drückerfischart fest. So große Höhlen sind eben selten. So legen sie sich einfach auf den Boden. Wie viele Fische schlafen sie wenigstens mit einem offenen Auge. Berühren Jann man sie nicht. Sie bemerken die Annäherung der Hand.

Gelege

Größe: 70 cm, Tiefe: 5 m           

Kuredu, Faddhippolhu-Atoll, 1998

Größe: 70 cm, Tiefe: 6 m

Ellaidhoo, Ari-Atoll, 1995

Rechts unterhalb der Mitte des Bildes ist das Gelege des Drückers. Die kleinen Fische dort warten nur darauf, dass er die Schwimmer da oben angreift. Dann fressen sie von den Eiern...

Es gibt noch eine Situation, wenn Tüpfeldrückerfische und auch Gelbgesichts-Drückerfische (siehe dort) so aggressiv reagieren: wenn sie Brutpflege betreiben. 

Diese großen, recht langsam schwimmenden Fische suchen sich dann eine sandige Fläche, die sie akribisch von allem Korallengeröll reinigen. Dann legen sie sich auf die Seite in den Sand und schaffen sich durch das Wedeln mit ihren Flossen eine Mulde. Eine auffallende Tätigkeit und weithin zu sehen am Riff. Das Gelege ist etwa faustgroß und durchsichtig rosa gefärbt. Es wird zwar nur 24 Stunden verteidigt, aber wie! Ein Freund, der vor uns am Riff entlang schwamm, dieses betrachtete und den Drücker ca. 5 m schräg unter sich gar nicht bemerkte, wurde unversehens von diesem angegriffen und in die Innenseite des Oberschenkels gebissen. 

Was ihm eine ungeahnte Geschwindigkeit, einen riesigen Schreck und einen großen blauen Fleck einbrachte, ließ uns noch tagelang lachen. 

Der Tüpfeldrücker aber schoss, so schnell er auf der Seite liegend schwimmen konnte, wieder nach unten. Denn dort hatte sich, kaum dass er sein Gelege verlassen hatte, Erstaunliches getan. Sternförmig flitzten alle kleinen Fische aus der Umgebung heran und fraßen von seinem Gelege. 

Weit konnte er all die Regenbogenjunker, Sand- und Riffbarsche nicht vertreiben. Sie blieben in der Nähe und warteten auf die nächste Gelegenheit. Am nächsten Tag war es mit der Aggressivität der Drücker am Riff wieder vorbei und uns blieb nur der Gedanke, dass das gleichzeitige Ablegen des Laichs irgendwie mit dem Mondstand zusammenhängen musste. 

Ein anderer Fall verlief nicht so harmlos. Da wurden im hüfttiefen Wasser Fische gefüttert. Ein großer Drücker bekam wohl nicht genug ab und nahm sich dafür eine der vielen Fersen vor. Die passte so richtig in sein schnabelähnliches Maul, das ja Korallen zerbeißen kann. Der Urlaub für diese Person war jedenfalls zu Ende.

Der Drücker belächelt sein rosa Gelege. Dann geht er sofort in einen wütenden Angriff über. Man hat beim Auftauchen jede Menge zu tun, ihn unbedingt im Auge zugehalten und abwehren zu können. 


Seine Beißkraft mit den runden Zähnen ist gewaltig. Bis zu 10 kg Gewicht auch nicht.

Größe: 70 cm, Tiefe: 8 m        Kuramathi, Rasdu-Atoll, 1988

Fressen

Größe: 70 cm, Tiefe: 2 m                                                   Vilamendhoo, Ari-Atoll, 1997

Der Drücker hat tatsächlich die Acroporakoralle abgebrochen und lädt sie ein Stück weiter wieder fallen. Die Regenbogenjunker sind ganz aufgeregt und fischen die Kleinstlebewesen weg. Endlich was los am Riff. Was der Große davon hat? Er zerkaut den Kalk und frißt die Polypen.

Irgendwie spinnen einige Drücker mächtig. Dieser ausgewachsene Drücker hier auf den beiden Bildern war einige Zeit lang beim sinnlosen Abrechen der Finger der Acroporakoralle zu beobachten. Hatte er sie mit laut hörbaren Knacken abgebrochen, ließ er sie einfach fallen. Offensichtlich machte es ihm Spaß, seine Kraft zu zeigen. Nichts war von einem Vorteil für ihn zu erkennen. 

Sein Gebiss ist auch nicht zum Zermalmen lebender Korallen ausgelegt. Die ihn umschwärmenden Regenbogenjunker hatten jedenfalls ihre Freude daran: Sie zupften an den Bruchstellen die Korallenpolypen ab.

Größe: 70 cm, Tiefe: 2 m   Vilamendhoo, Ari-Atoll, 1997

Was ins Maul passt, wird zerbissen. Viel Nahrhaftes ist nicht dabei und so ist er den ganzen Tag am Fressen.

Wenn er kein Gelege hat - und das hat er einmal im Monat - lässt er einen schon recht nahe herankommen. Bei seiner Größe und Stärke hat er ja auch nichts zu befürchten. Aber Vorsicht: kann schief gehen. Man sollte Erfahrung haben.

Größe: 70 cm, Tiefe: 8 m                    Kuramathi, Rasdu-Atoll, 1988

Auf das Bild klicken!
(5 min ausgelagertes Video auf YouTube)

Im Video ( Vilamendhoo. 2010) ist der kleine, schwarze Riffbarsch zusehen wie er seine Wohnkoralle tapfer verteidigt. Seine Attacken tun dem Großen zwar nicht weh, aber er bemerkt sie doch und zuckt zusammen.


Da kennt der Persischer Georg  Stegastes fasciolatus nichts. Er greift auch Schnorchler an, die sich da festhalten wollen. Der Drücker hat da etwas gewittert. Vielleicht ein Seestern. Die kleinen Fische hoffen, dass für sie etwas abfällt. Und dann griff er mich an…

Größe: 70 cm, Tiefe: 3 m                  Vilamendhoo, Ari-Atoll, 1997

Größe: 70 cm, Tiefe: 3 m                  Vilamendhoo, Ari-Atoll, 1997

Geschickt dreht er Korallenbrocken um.

Der Lohn: Kleine Krebse, Schlangensterne, Muscheln und sonstige leckere Sachen! Immer ist er bei der weithin sichtbaren Tätigkeit umlagert von kleineren Fischen, die ihm oft genug die entsetzt flüchtende Beute wegschnappen, ehe der große Drücker überhaupt reagieren kann.

Der Drücker versucht im Sandboden etwas Freßbares freizublasen. Das kann ein Seeigel, ein Seestern, ein Wurm, eine Schnecke oder eine Muschel sein, die er dort gewittert hat oder vermutet.

Hier hat er einen Walzenseestern
Choriaster granulatus schon fast ganz aufgefressen. 

Es passte ihm gar nicht, beim Fressen gestört zu werden und zeigte es durch einen kurzen Scheinangriff - natürlich mit furchtbar rollenden Augen.

Jugend

Größe: 10 cm, Tiefe: 5 m        Kuredu, Faddhippolhu-Atoll, 1998

Auch große Drücker fangen mal klein an.
Nur zwei Aufnahmen von jungen Tüpfeldrücker sind in all den Jahren gelungen - und das nicht mal gut. Bei einer Fotoausbeute von dieser Art von 140 Bildern. Alle diese Drücker sehen gleich aus. 

Geschlechtsunterschiede sind nicht zu erkennen.

Größe: 15 cm, Tiefe: 0,5 m                  Süd-Nilandu-Atoll, 1998

Putzen

Größe: ca. 70 cm, Tiefe: 2 m                                     Embudu, Süd-Male-Atoll, 2008

Ohne Putzerfische am Riff geht es gar nicht. Dieser 10 kg-Brocken wird gleich von drei Putzerlippfischen bedient. Sie befreien ihn von Parasiten jeder Art.


Nach eigenen Beobachtungen kommen die großen Fische jeden Tag zu den ihn bekannten Stellen am Riff und lassen sich putzen. Man kennt sich, ist aufeinander angewiesen. Die Großen werden nicht krank und die Kleinen haben Nahrung, eine Symbiose ohne die am Riff nichts geht.


Nur, wenn man sich am Riff ganz ruhig verhält und sie nicht stört, gelingen solche Aufnahmen. Aber die Inseln sind im Laufe der Jahre immer mehr zum „Warmbadeparadies AI“ verkommen.

Angriff

Größe: 70 cm, Tiefe: 1 m 
Ellaidhoo, Ari-Atoll, 1993
Als das Foto von diesem Tüpfeldrückerfisch - er hatte auf der Insel den Namen „ Bruno “ - gemacht wurde, schwamm er gerade eine wütende Attacke gegen mich. Aber eine richtige und nicht wie gewohnt, eine Scheinattacke. 

Ich hatte ihn schon eine ganze Weile beobachtet und gesehen, wie er in eine Korallenplatte biss, diese umdrehte und genüsslich etwas fraß, was er darunter fand. Normalerweise kann man von Fischen, die so beschäftigt sind, in aller Ruhe Fotos schießen. Nicht aber bei diesem Kerl! 

Als ich die richtige Distanz von 60 cm (erforderlich, wenn man mit der Nikonos V mit dem Normalobjektiv, eingestellt auf die kürzestmögliche Distanz von 80 cm, im Wasser ist) erreicht hatte, schoss er auf mich los. Ich konnte gerade noch auslösen und musste ihn dann auch schon mit der Kamera abwehren. Während des Auftauchens musste ich den mutigen Kerl noch zweimal mit den Flossen abwehren. Mit seinem kleinen, aber sehr kräftigen Maul kann er schon ein gewaltiges Stück aus einer Flosse heraus stanzen. Na, Flosse geht ja noch...




Story eines verhaltensgestörten Drückerfisches

„…und dann war da noch Bruno!"

Denkste! Die Schräglage ist Warnung genug: Bruno in purer Mordlust!

Mein Revier!

Hau ab hier!

Und dann war da noch Bruno. Gleich links neben dem Anleger, 100 m nach Osten, dort gehörten ihm 50 m vom Riff und zwar von der Oberfläche bis hinunter auf 30 m. Das war sein Reich und das wurde verteidigt. Bruno griff alles und alle an, was sich dorthin wagte.


Er fetzte mit seinem Kuchenzahn Dreiecke aus funkelnagelneuen Taucheranzügen, biss Schnorchler in Flossen und Waden. Panik machte sich sogar unter Tauchern breit; es sind ja nicht immer die besten Schwimmer. Todeslisten kursierten auf der Insel. Bruno war ein Teufelskerl, der alle Kampftechniken beherrschte und die Baumuster aller Taucherbrillen studiert hatte. Prinzipiell griff er, deren tote Winkel ausnutzend, nur von schräg hinten und von unten an. Kaum einer sah ihn kommen.


Je mehr seine Opfer zappelten, gar mit den Flossen nach ihm traten, um so heftiger griff er an, wendete genau an der Grenze der Reichweite der Arme und Beine, nahm neuen Anlauf und fuhr mit furchtbarem Rollen seiner großen, vorstehenden Augen auf der Seite liegend eine Scheinattacke nach der anderen. 


Er wusste sich auch zu helfen, als ich ihn einmal mit einem Stück Korallenbruch bewarf: Er sauste hinter einen Korallenstock in Deckung und lugte frech hervor, bis er sicher war, dass ich keine Munition mehr hatte.


Wenn jemand ihn doch kommen sah, ihn abwehrte, vielleicht gar noch auslachte, sann Bruno auf Rache. Einer schwamm nach so einem Sieg an den Strand, laut von Bruno berichtend. Als er sich im hüfttiefen Wasser bückte, um seine Flossen auszuziehen, biss Bruno herzhaft in den sich darbietenden Hintern.


EPILOG: Noch tagelang wurde beim Frühstück die Hose etwas heruntergelassen und jedem das unglaubliche Hämatom gezeigt. Nach einer weiteren rüden Attacke auf eine Profitaucherin (70 Jahre, 3. Tauchstunde - sie soll es irgendwie geschafft haben, so eine Flasche mit einem Zug zu leeren) war das Schicksal des offensichtlich verhaltensgestörten Bruno besiegelt. 


Die Gelegenheit war günstig. Vom Karneval war noch ein Stück blaues Plastiknetz da. Des Nachts klemmen sich alle Drücker unter eine Koralle oder in ein Loch und Brunos Revier war ja zur Genüge bekannt. Mit Lampe, Netz und Messer: Ade Bruno, ab in die Strömung.... . Die Insel atmete auf. Die Profis krabbelten ungestört über den Grund, Schnorchler kamen strahlend zurück.


Am dritten Tag danach, ich lag dort vor einer Koralle auf dem Riffdach und versuchte ein Blenny zu fotografieren, biss mir Bruno ein münzgroßes Stück aus dem Schienbein heraus! Die Wunde ist auch ein Jahr danach noch nicht richtig verheilt und gerade - genau 12 Monate später - hat dieser Teufelskerl wieder an der Flosse gezerrt. Er treibt nun schon im Dritten Jahr sein Unwesen. Da hat also dieser Kerl hinter einer Koralle gelegen, sich in die vorgehaltene Flosse gelacht und seelenruhig zugesehen, wie man seinen Reviernachbarn, den er sowieso nicht richtig leiden konnte, abgestochen hat. Die Narbe am Schienbein wird übrigens nie mehr weggehen.


Recht so Bruno! Du warst zuerst da. Touristen sind eklig, nicht wahr?


Irgendwann hat so ein billiger, meist besoffener Aushilfstauchlehrer Bruno mal mit dem Messer erwischt. Seitdem erkennt er Messer schon von weitem. Bruno ist also lernfähig und intelligent, kann sich vielleicht sogar Leute merken, denn manche hat er noch nie angegriffen - ob er riechen kann? 


Aber er ist immer in Aktion: Soeben ist er einer Tauchlehrerin so gegen den Kopf gedonnert, dass sie dachte, einer ihrer Eleven hätte ihr eine der Stahlflaschen dagegen geschlagen.


Lustig: Wenn Salzwasser an die Narbe am Schienbein kommt, fängt die Stelle an zu jucken und Bruno fällt einem wieder ein. Jetzt, 2023.


Das war ein Kerl! Jetzt mit eigener Seite im Internet.

Die Korallen sind abgestorben. Tüpfeldrückerfische haben überlebt. 

Das Loch im Schienbein die letzten 25 Jahre auch. 

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