BERLIN - MITTE

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  Berlin
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Alles Mitte, oder was?

Vom Schloss Bellevue zum Hackeschen Markt

Nördlich des Straßenzuges 17. Juni / Unter den Linden

Berlinfoto: Das Reichstagsgebäude in Berlin

Der Reichstag, Ende Januar 2012, 15:00 Uhr

Was hat dieses Gebäude seit seiner Grundsteinlegung durch Kaiser Wilhelm I. am 9. Juni 1884 alles erlebt! War es ein Omen, dass an diesem regnerischen Tag dem Kaiser der Hammer dabei zersprang?

Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 stand schon am 21. April 1871 fest: 
 "Die Errichtung eines den Aufgaben des deutschen Reichstags entsprechenden und der 
Vertretung des deutschen Volkes würdigen Parlamentshauses ist ein dringendes Bedürfnis."

Aber wie es so schon immer war in Berlin, begannen die Probleme nicht nur mit der Grundstückssuche. Als geeignet galt der Königsplatz, heute Platz der Republik. Nur stand dort ein Palais eines preußischen Diplomaten. Der Pole Graf Athanasius Raczynski wollte das Grundstück aber nicht hergeben.

Reichstag und Siegessäule 1905

Gratispostkarte der Deutschen Post Consulting anlässlich des 125 Jahrestages der Postkarte

Dann waren da noch die drei Hohenzollern (Kaiser Wilhelm I., Sohn und Enkel, später Kaiser Friedrich III. und Wilhelm II.) sowie Bismarck. Denen war die Nähe des geplanten Reichstages zu dicht am Regierungsviertel und am Schloss. Sie befürchteten dadurch eine politische Aufwertung des Parlaments. Wozu denn ein Parlament? Wir regieren die Preußen doch hervorragend!


Im Februar 1882 wurde ein internationaler Wettbewerb ausgeschrieben. Hohe Preisgelder lockten sagenhafte 189 Entwürfe an, aus denen Paul Wallot aus Frankfurt als Sieger hervorging.

Am Baustil hatte, berlintypisch, jeder etwas zu meckern. So etwas modernes wie eine Kuppel aus Stahl und Glas? Unmöglich, hieß es. Staatsbauten hätten gefälligst im Stil des Historismus ausgeführt zu werden, wie die Fassade. Da ein bisschen Neorenaissance, hier etwas Neobarock, das gefiel den Alten. Bei den Jungen kam das nun gar nicht an.

Der Kaiser war sowieso gegen den Bau. Hatten denn die Hohenzollern nicht gut regiert? Was soll da so ein Parlament? Und dieser Wallot, der sich seinen Wünschen widersetzt. Der Stadtbaurat durfte den Bau "Leichenwagen erster Klasse" nennen.

Aber zur Thronrede bei der Schlusssteinlegung am 5. Dezember 1894 sagte der Kaiser Wilhelm II.:

"Möge Gottes Segen auf dem Hause ruhen, möge die Größe und Wohlfahrt des Reiches das Ziel sein, das alle zur Arbeit in seinen Räumen Berufenen in selbstverleugnender Treue anstreben!"

Das Reichstagsgebäude beherbergte

den Reichstag des Deutschen Kaiserreiches  den Reichstag der Weimarer Republik


nach dem Reichstagsbrand 1933 Ausstellungen der Nazis  


und seit 1999 den Deutschen Bundestag

Reichstag 1945/46

Der Reichstag 1945. Im Vordergrund das Sowjetische Ehrenmal. Schwere Kämpfe und Bombentreffer haben dem Haus schwere Schäden zugefügt.

Reichstag 1957

1953 wurde die ausgeglühte und einsturzgefährdete Koppel gesprengt. Mit dem Fahrrad war es ja nicht weit. Als die Kuppel herunterkam, stand fest: ein Fotoapparat musste her. Das dauerte aber noch bis 1957, wo diese Aufnahme entstand. Westberlin rappelte sich so langsam hoch. Die Westfassade und der Turm im Südwesten wurden restauriert.

Reichstag am 1. Mai 1960

Der Reichstag am 1. Mai 1960. Jetzt ist der Nordwestturm eingerüstet. Blick von der Kongresshalle zum Reichstag.

Der Tag der Arbeit 1960 im Westen Berlins vor dem Reichstag

Das hätten die gerne gehabt: Hunderttausende, die freiwillig hingingen. Es gehörte einfach dazu. An solchen Tagen sprach Ernst Reuter die Worte, die um die Welt gingen: "Völker der Welt, schaut auf diese Stadt..."

Diese Versammlungen vor dem Schöneberger Rathaus oder dem Reichstag, als es dort in Schöneberg zu eng wurde, die schweißten die Westberliner zusammen, gaben ihnen Mut und Widerstandskraft gegen die Machthaber in Moskau und in Ostberlin.

Hier, 1960, hielt Willy Brandt (siehe Bilder weiter unten) seine markanten Reden.

Es waren so viele Menschen da, dass der Platz zwischen der Kongresshalle und dem Reichstag gerade ausreichte. Heute steht da das monumentale Kanzleramt des Dicken dazwischen. Ob es eine Million Menschen waren?

Der Tiergarten war noch ziemlich kahl. Alle Bäume waren in den kalten Wintern 1945 bis zur Blockade Berlins 1948 abgeholzt worden.

Die Busse hatten noch rundliche Formen

Keiner musste wie im Osten herangekarrt werden. Man kam freiwillig.

Man beachte die Kleidung. Man trug Mantel und Hut. Heute hätte jeder Multifunktionskleidung an.

Wenn man dagegen die Maiaufzüge in Westdeutschland - wie man hier sagte - sah, fühlten wir uns stolz.

Klar, dafür war der Maibaum kaum erwähnenswert

Im Hintergrund das Sowjetische Ehrenmal. Hier kann man die Menge der Leute einschätzen.

Kein Problem, an die Politiker mit der kleinen Kodakkamera und dem festen 50 mm-Objektiv heranzukommen: 

Willy Brandt und Egon Bahr in der Mitte des Bildes.

Die Ordner sahen aus wie das letzte Aufgebot vom Volkssturm. Es waren BVG-Bedienstete mit einer Binde der Gewerkschaft ÖTV am Arm. Bis die 68er die Republik von Berlin aus aufmischten, war ja noch eine Weile hin und erst ab dann galt ja: "Unter den Talaren ist der Mief von 1000 Jahren!"

Heute unvorstellbar auf der ganzen Welt: Der Regierende ohne jeden Schutz in einer riesigen Menschenmenge

Scheinbar verschwand das nutzlos herumstehende Reichstagsgebäude aus der persönlichen (und 15 Auslandsjahren) und aus der öffentlichen Wahrnehmung. Erstaunlicher Weise gibt es im eigenen Archiv erst ab der Aktion des Verpackungskünstlers 1995 wieder Fotos von dem Gebäude.


Das war dann ja auch der Auftakt einer gründlichen Renovierung mit totaler Entkernung des Wallotbaues.

Reichstag 1995

23. Juni 1995, 13:00 Uhr - Canon EOS 650 - Canon Zoom Lens EF 75-300mm; 1:4-5,6 IS, UMS - f11; 1/500 sek, Dia Agfa CT100

Erst war ja die Stimmung der Berliner ziemlich ablehnend. Was für ein Blödsinn ein ganzes Gebäude einzupacken! Aber als es fertig war, war es doch ein gewaltiger Eindruck.

Unsicher, ob man eigene Fotos von dem Kunstobjekt auf der eigenen Seite überhaupt zeigen darf, wird der Name der Künstlerehepaares hier lieber nicht genannt. Er ist eh jedem geläufig. Stimmt´s?

Die Kuppel

01. August 2005, 11:41 Uhr - Canon EOS 20 D - Canon Lens EF 400mm; 1:4, DO, IS, UMS - f6,3; 1/640 sek, 400 ISO

Sir Norman Forster ist da etwas großartiges eingefallen. Die Kuppel dürfte schon seit der Errichtung 1999 weltweit bekannt und als Wahrzeichen aus Berlin nicht mehr wegzudenken sein.

12. April 2010, 19:21 Uhr - Canon EOS 5 D Mark II - Canon Zoom Lens EF 70-200 mm (102mm) 1:2,8 II IS UMS - f2,8; 1/80 sek, 255 ISO

09. September 2008, 19:31 Uhr - Canon EOS 5 D; Canon Lens EF 400mm; 1:4, DO, IS, UMS - f4; 1/15 sek, 100 ISO

Die Kuppel des Reichstages von einem Hochhaus am Potsdamer Platz aus gesehen

Dem Deutschen Volke

16. November 2006, 13:50 Uhr - Canon EOS 5 D; Canon Lens EF 400mm; 1:4, DO, IS, UMS - f5,6; 1/500 sek, 100 ISO

Das Portal 1945

Der Spruch DEM DEUTSCHEN VOLKE am Westprtal stammt von Wallot aus dem Jahre 1884, kam aber erst 1916 auf den Giebel. 

So lange haute man sich - Berlin eben. Die einen wollten "Das deutsche Volk", der Kaiser war für "Der deutschen Einigkeit".

Der Berliner Lokal-Anzeiger fand am 11. Dezember 1884 alles "naiv, beinahe komisch."

28. Dezember 2004, 11:22 Uhr - Canon EOS 20 D - Canon Lens EF 400mm; 1:4, DO, IS, UMS - f5,6; 1/500 sek, 400 ISO

31. Oktober 2008, 11:55 Uhr - Canon EOS 5 D - Canon Lens EF 400mm; 1:4, DO, IS, UMS - f13; 1/1000 sek, 400 ISO

Die Glücklichen! Sie wissen noch nicht, dass sie weniger von den nicht so sauberen Politikern hinter diesen dicken Mauern des "Deutschen Bundestages im Reichstag" regiert werden, sondern eher von den Lobbyisten aller Couleur.

Ein gelungenes Demk-Mal

Ein Denkmal, das gefällt - im Gegensatz zur Betonwüste des bröckelnden Holocaustdenkmals!

Die Platten mit den Namen der KZ stehen vor dem südlichen Teil der Westfassade des Reichstages.

10. Mai 2008, 19:50 Uhr - Canon EOS 5 D - Canon Zoom Lens EF 20-55 mm (75 mm) - f8; 1/250 sek, 100 ISO

12. April 2010, 19:19 Uhr - Canon EOS 5 D Mark II - Canon Zoom Lens EF 70-200 mm 1:2,8 II IS UMS - f2,8; 1/125 sek, 255 ISO

12. April 2010, 19:32 Uhr - Canon EOS 5 D Mark II - Canon Lens EF 400 mm 1:1,4 DO IS UMS - f4; 1/15 sek, 255 ISO

An der Ostseite. Der mächtige Kadelaber stand schon auf Ostberliner Gebiet. Die hatten die Mauer ja überall etwas zurückgesetzt, sodass die Westberliner Seite der Mauer auch ihnen gehörte.

Wenn es Nacht wird. Mitte Mai 2012, 21:30 Uhr.

Der Reichstag von der Ostseite am 23. November 2014

Literaturverzeichnis Berlin