Handbuch der Malediven




Kapitel 1

An Land

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24 Stunden am Riff


Ein Essay


Der Große Brockhaus sagt zum Essay: (engl. Versuch), der, Abhandlung, die einen Gegenstand auf besondere Weise erörtert: Der E. unterscheidet sich einerseits durch Stilbewußtsein und subjektive Formulierung von der
objektiven, wissenschaftl. Abhandlung....". Na, man kann es ja mal versuchen.......

Der Text wurde 1993/94 geschrieben. Eine Vorahnung vom Sterben der Riffe war schon da. Dass es aber mit den Auswirkungen des El Niño im Frühjahr 1998 so schlimm kommen würde und der gesamte Indische Ozean absterben würde, war nicht zu erahnen.
Junge Fusiliere
Tiefe: zwischen 1 und 2 m, Ellaidhoo, Ari - Atoll, 1994
Jede Tageszeit am Riff hat ihre Besonderheit, ihre ganz spezielle Stimmung. Sie erschließt sich einem nur, wenn man sich Zeit und Muße nimmt, sich einfangen lässt. Dann besteht allerdings die Gefahr süchtig zu werden, süchtig nach einer intakten Welt am Riff, auch wenn sie zum größten Teil aus Fressen und gefressen werden besteht und süchtig macht nach dem Motto: Einmal Malediven, immer Malediven.

Diese Welt teilt sich in ihrer vollen Schönheit am besten als Schwimmer mit Maske und Flossen mit, besser jedenfalls als dem Taucher mit seiner Vielzahl an Ausrüstungsgegenst.nden, dem ständigen Blick auf Filometern und Partner, dem Geräusch der eigenen Atmung und vor allem mit der begrenzten Zeit die zur Verfügung steht.

Morgens



Die Sonne geht grade unspektakulär auf und sofort erwärmen die ersten Strahlen die Haut bevor der Glutball sich vollends über den Horizont geschoben hat. Die Fliegenden Hunde hängen richtig herum, nämlich falsch herum in ihren Schlafbäumen und der Reiher vom Dienst steht unbeweglich im flachen Wasser, und starrt mit gesenktem Schnabel zwischen seinen dürren Beinen hindurch nach seinem Frühstücksfisch.

Da kein Atollfürst an der Zeit herumgedreht hat, zeigt die Uhr die 6te Stunde an. Das Wasser ist frisch und macht gänzlich wach. Schnell sind die 10 m bis zum Riffdach zurückgelegt. Noch ein kurzer Blick in das kleine Loch in dem der junge Oktopus wohnt.

Er hat die Nacht überlebt und blickt neugierig wie immer über den Rand seiner Behausung. Längst ist er an diese Begegnung gewöhnt und hält keine angesaugten Korallenbröckchen zur Abwehr hoch. Er geht jetzt schlafen. Das Riff fällt steil auf 30 m ab. Das Wasser wirkt blauschwarz und ein wenig trübe. Schräg fallen die ersten Sonnenstrahlen ein. Sie lassen sich ein Stück mit dem Auge verfolgen bevor sie von der Tiefe aufgesogen werden. Unzählige Fische stehen vor der Riffkante und schnappen hastig und aufgeregt nach Plankton, das heute morgen der Trübung nach reichlich vorhanden ist.
Der Oktopus kommt gerade von der nächtlichen Jagd nach Hause
Tiefe: 2 m, Ellaidhoo, Ari - Atoll, 1994
Die Nacht war lang und als tagaktiver Fisch hat man jetzt Hunger. Wohin man auch blickt, es blitzt und blinkt in allen Formen und Farben, es wogt auf und ab, schwimmt über- und untereinander. Diese Fülle ist kaum zu erfassen. Unwillkürlich sucht sich das Auge etwas festes, etwas bleibendes, auf das man schauen kann. Ein Schwarm Neonfüsiliere steht kreuz und quer durcheinander. Nichts ist von der Eleganz des harmonisch wie im Gleichtakt schwimmenden Schwarms geblieben. Bald, wenn sie den ersten Hunger gestillt haben, werden ihre schlanken, spindelförmigen Körper wieder wohl ausgerichtet träge am Riff entlangziehen. Jetzt schnappen die kleinen Mäuler nach für uns unsichtbarem.

Daneben tanzt eine Schule undefinierbarer, höchstens 1 cm langer Jungfische wie eine silbrige Wolke auf und nieder. Es sind Tausende und Abertausende Fische, eng umlagert von Räubern. Über ihnen, kurz unter der Oberfläche, stehen kleine Hornhechte und unter dem Schwarm lauern Gabelschwanzmakrelen auf unvorsichtige kleine Fische, die sich zu weit von ihrem Schwarm entfernt haben. Sie werden verspeist ohne das die anderen es zu bemerken scheinen.

Silbrige, gefährlich aussehende Stachelmakrelen jagen so schnell am Riff entlang, dass der Schlag der Schwanzflosse als schwirrender Ton zu hören ist. Große Pferdemakrelen sausen aufgeregt hin und her. Am Riff herrscht eine knisternde atemlose Spannung, ja Hektik. Alle sind am Fressen, viele werden gefressen. Die silbrigen Räuber schnappen allerdings so blitzschnell zu, dass es nur in den seltensten Fällen mit den Augen zu verfolgen ist. Nur die Muräne, die sich ruhig und gemächlich aus der Tiefe emporschlängelt, hat Zeit und ist satt. Ihr fast 2 m langer Körper gleitet in ihre Wohnkoralle und an erwarteter Stelle kommt der Kopf wieder zum Vorschein.

Sie hat die ganze Nacht gejagt und hat vielleicht einen schlafenden Papageifisch erwischt. Jetzt reißt sie das ziemlich große Maul auf und lässt sich genüsslich von den Putzerlippfischen reinigen. Im Laufe des Vormittags, so ab neun oder zehn Uhr schaut dann kaum noch der Kopf heraus. Den Tag wird sie verdämmern und sich nicht mehr sehen lasen.

Der für diesen Riffabschnitt zuständige Weißspitzenhai gleitet nun schon zum 3. oder 4. Mal in 5-6 m Tiefe vorbei. Endlich bequemt er sich, näher zu erkunden, was das morgendliche Durcheinander stört. Er kommt bis auf 2 m heran, bestimmt weil er so schlecht sieht. "Der schon wieder" wird er denken. Er ist etwas über einen Meter lang und sichtlich rundlich und wohlgenährt in der Mitte seines Körpers.

Mit kaum sichtbaren Schwimmbewegungen gleitet er gelangweilt wieder von dannen. Derweil fressen sie vor der Riffkante wie wild weiter. Tiefer schwimmen die Rotzahn-Drückerfische wie immer unordentlich kreuz/quer mit ihren herrlich hellblau leuchtenden sichelförmigen Schwanzflossen. Geschlossener und höher stehen wie Maiblätter im Wind hellgrüne Riffbarsche.Daneben schwarzweiße Pyramiden-Falterfische und etwas tiefer, direkt am Abfall des Riffs, haben sich leuchtendrote Antiasbarsche empor gewagt. Jagt ein Räuber vorbei, zucken alle Schwärme wie auf Kommando zusammen, und jeder Schwarm orientiert sich ein Stück näher zu den Korallen hin.

Zwar durchmischen sich die Schwärme an den Rändern normalerweise etwas aber bei Gefahr achten sie sorgfältig darauf, unter sich zu bleiben. Schwimmt man jetzt durch einen Schwarm hindurch, machen sie nur widerwillig so viel Platz wie nötig.

Vormittags

Ruhe am Riff: Bitte nicht stören!

1993 war die Welt noch in Ordnung. Auf den Malediven, im Ari-Atoll an der Insel Ellaidhoo. Es gab mehr Fisch als Touristen und man hatte schon mal einen Riffabschnitt stundenlang für sich alleine und konnte, ohne die Fische zu stören, diese beobachten. Wie hier den Papageifisch. Der kann sich als Friedfisch kleinen Fischen nähren. Das nutzt der Trompetenfisch aus. Von vorne gesehen hat er ja nur die Silhouette einer Münze. Ist er so nahe genug an seine kleine Beute herangekommen, schießt er plötzlich hervor…

Schwarmwimpelfische bei der Siesta am späten Vormittag vor dem Riff
Tiefe: zwischen 1 und 3 m, Ellaidhoo, Ari - Atoll, 1993
Schwarmwimpelfische, ebenfalls  vormittags vor Ellaidhioo, 1993
So ab zehn Uhr, wenn die Sonne höher steht, ändert sich unmerklich langsam die Stimmung am Riff. Es wird ruhiger, gemächlicher. Große graue Pilotbarsche stehen parallel zum Riff. 

Mit ihren gelb umrandeten Augen mustern sie die Gegend. Die hübschen Schwarmwimpelfische, die Engelchen, haben sich akkurat ausgerichtet. Ihre kleinen spitzen Schnauzen zeigen schräg nach unten und die schneeweißen Wimpel nach oben. Fisch an Fisch-ein unvergesslicher grandioser Anblick für den Rest des Lebens.

Man traut sich kaum, diese feierliche Stimmung durch Atmen oder laute Schwimmbewegungen mit der Flosse zu stören, schließlich ist man nur Gast hier. Die Hektik ist vom Riff gewichen und gegen Mittag schläft jede Aktivität ein.

Mittags


Selbst die gefräßigen Pferdemakrelen schwimmen langsamer und der Hai lässt sich nicht mehr blicken. Die Schildkröte schrabt wie jeden Tag in 5 m Tiefe Algen von toten Korallentrümmern und die Papageifische zertrümmern mit ihren kräftigen Gebissen weithin hörbar Korallen und der ausgeschiedene Sand rieselt wie kleine Fahnen hinter ihnen zu Boden. Die auffällig gestreiften Orientalischen Sü.lippen dösen vor sich hin, dass man meinen müsste, sie würden ersaufen.

Vielleicht träumen sie von Zeiten, als jede Koralle noch lebte und wuchs.
Man döst so vor sich hin: Halsbandfalterfische und Orientalische Süßlippe. Tiefe: zwischen 1 und 2 m, Ellaidhoo, Ari - Atoll, 1993

Nachmittags



Es ist zwei Uhr nachmittags. Die Luft flimmert vor Hitze und selbst der Nord-Ost-Passat ist eingeschlafen. Das Wasser in der jetzt ganz flachen Lagune hat an einigen Stellen 36 Grad Celsius erreicht. Es bildet beim Ablaufen an der Riffkante Schlieren und ist trübe. Jetzt ist eigentlich kaum Interessantes zu erwarten aber schon beim Anziehen der Flossen sind die beiden großen Augen im Sand, die einen unverwandt anstarren. Erst langsam sind die dazugehörenden Umrisse eines ausgewachsenen Stachelrochens im Sand zu entdecken.

Unwillig und träge geht der Rand in eine wellenförmige Bewegung über. Der Rochen vor mir dreht sich gemächlich auf der Stelle von mir weg. Langsam nimmt er Fahrt auf. Sand rieselt herab. Ein Auge dreht er nach hinten, beobachtet mich. Im schlierenden graugrünen Wasser sehe ich ihn noch, wie er sich ein paar Meter weiter wieder einbuddelt und seine Siesta fortsetzt.

Nicht anders am Riff. Alles ist ruhig und auch die großäugigen, meist roten Räuber der Nacht stehen im harten Schlagschatten unter den Tischkorallen oder Überhängen und bewegen sich kaum. In zwei oder drei Stunden werden sie unruhiger werden, schon etwas hervor schwimmen und hungrig auf ihre Zeit warten, auf die Nacht. Die einzigen Stellen am Riff, an denen immer Leben ist, sind die Putzerstationen. Brav stellen sich auch große Fische an und warten geduldig, bis sie an der Reihe sind. Flink wieseln die kleinen Putzer um sie herum, verschwinden in den Kiemen und in den bereitwillig aufgesperrten Rachen selbst der gefräßigsten Räuber und befreien ihre Kundschaft von jeder Art Parasiten.
Korallen in Ufernähe vor dem El Niño als die Welt noch in Ordnung war Tiefe: zwischen 1 und 2 m, Angaga, Ari - Atoll, 1996

Abends



Je nach Bewölkung und damit nach der Helligkeit im Wasser fängt das Leben am Riff so zwischen vier und fünf Uhr langsam und kaum merklich wieder an, steigert sich gegen sechs Uhr zum Höhepunkt, zur aufregendsten und schönsten Zeit des ganzen Tages. Je dunkler es wird, desto wilder geht es los. All die vielen Einzeltiere der großen Schwärme müssen satt werden für die lange Nacht. Die meisten Fische haben ihre Lethargie abgeschüttelt, die Räuber jagen wilder denn je in die auseinanderspritzenden Schwärme hinein. Das Riff erwacht zu unbändigem Leben.

Auf reinen Taucherinseln ist man jetzt komischerweise ganz allein am Riff. Man kommt nun selbst an scheue Fische nahe heran, kann im Maul des Rotzahndrückerfisches tatsächlich den knallroten Kuchenzahn sehen und bestätigen, dass diese Art den deutschen Namen mal zu recht trägt. Von nun an bis zur Dunkelheit, kurz nach 18.30 Uhr, macht es Spaß, sich eine strömungsfreie Stelle zu suchen und mit schussbereiter Kamera und Blitz der kommenden Show buchstäblich in der ersten Reihe beizuwohnen.

Die richtige Stelle ist leicht zu finden. Dort, wo große Korallenstöcke nahe der Riffkante stehen, kommt seit Menschengedenken eine nährstoffreiche Strömung aus der Tiefe empor-sonst hätten sich die langsam wachsenden Steinkorallen nicht zu solchen prächtigen Formationen heranwachsen können.

Auf dem Weg dort hin sehe ich den kleinen Ammenhai, von dem den ganzen Tag über nur die Schwanzspitze ein wenig unter der Koralle gleich neben dem Riffübergang herausragte. Seine Schlafhöhle ist ein kleinwenig zu kurz. Trotzdem ist er durch seine Sandfarbe nicht entdeckt worden. Jetzt fährt er beim Einsetzen der Dämmerung wie wild unter eine Koralle und frisst. Höchstwahrscheinlich hat er dort eine Auster entdeckt, die er mit seinen vorstehenden Zähnen zu knacken versucht.

Über dem Korallenblock ist eine strömungsfreie Zone. Es läuft ab wie in einem spannenden Film. Große Thunfische schießen plötzlich aus der Tiefe empor, Makrelen jagen gekonnt im Verband. Beute wird so
blitzschnell geschlagen, dass man nur das Drama erahnen kann. Es ist so spannend hier, dass man kaum merkt, dass eine Fischart nach der anderen verschwindet.
Schwarm vor dem Bootssteg
Tiefe: zwischen 1 und 2 m, Embudu, Süd-Male-Atoll, 2008

Nachts



So schnell es in den Tropen hell wird, wird es auch wieder dunkel. Schließlich sind wir hier auf den Touristenatollen der Malediven nur 3 oder 4 Grad nördlich vom Äquator. Wenn die Sonne hinter dem Horizont
versinkt, tritt am Riff ein erstaunlicher Wandel ein. Schwärme, die eben noch nach Plankton schnappten, balgen sich um Schlafplätze zwischen den Korallen die eben noch von nachtaktiven Tieren besetzt waren. Die roten oder silbrigen Räuber der Nacht sind zwar hungrig, wagen sich aber nur widerwillig hervor.

Für ihre empfindlichen Augen ist es ihnen noch zu hell. Aber vor ihnen stehen schon die satten Drückerfische oder die Füsiliere, die ihre Plätze für die Nacht einnehmen wollen um dort vielleicht den bald jagenden Muränen zu entgehen. Diesen Wechsel muss man mal beobachtet haben. Da könnte man die Rotzahn-Drückerfische am Schwanz wieder herausziehen, hätten sie sich nicht nach typischer Drückerart mit ihren "Triggern" in den kleinen Höhlen verankert.

Das freie Wasser ist wie leer gefegt. Der Schein der Lampe tastet ins Nichts. Ist das Riff noch intakt, geht das Leben auf dem Riffdach genauso spannend, aber anders, weiter. Sind aber alle Korallen abgestorben, und das ist auf den meisten Urlaubsinseln seit einiger Zeit schon so, ist die Story hier zu Ende. Dann leuchten keine schillernden Augen von Langusten im Schein der Lampe auf wie Diamanten, krabbeln kaum noch bunte Federsterne mehr an exponierte Stellen um mit ihren filigranen farbenfrohen Armen grazil nach Plankton zu fächeln. Keine knallroten Einsiedlerkrebse schleppen ihre wuchtigen und viel zu schweren Gehäuse über jedes Hindernis.

Tot sieht es aus, das Riff im Jahre 1994, tot und ohne Leben auf den abgestorbenen Korallentrümmern, von grauen und braunen faden Algen überzogen, traurig und leer. Hin und wieder ein Rotfeuerfisch oder ein
Ammenhai ist alles, was übrig geblieben ist. Jedes Jahr wird es schlimmer. Das schlimmste aber, das Riff knistert nicht mehr, geheimnisvoll, aufregend, abenteuerlich.

Nachts knisterten doch lebendige Riffe so schön wenn sich das Licht im Glanze einer Cauri brach, wenn die  Igelfische die Krebse jagten, der ganze Grund vor Leben explodierte- nachts im Schein einer kleinen Lampe. Heute schwimmen wir klaglos über die Korallenfriedhöfe von Kuramathi, Bandos, Bathala und Ellaidhoo, wo die Riffkrone nur noch als Steinbruch taugt, um Wellenbrecher bauen zu können, was die Natur Jahrtausende lang mit einer lebenden Riffkrone ungleich besser konnte - die Inseln wären sonst gar nicht entstanden.
Nachts als die Unterwasserwelt noch in Ordnung war...
Tiefe: 1 m, Kuramathi, Rasdu-Atoll, 1988
Klaglos schwimmen die einen, weil sie es noch besser kannten und jetzt vielleicht ein schlechtes Gewissen haben, weil sie mit schuld sind am Untergang einer einst blühenden Unterwasserwelt, die jetzt in Trümmern vor uns liegt, in toten, mit braunen Algen überzogenen Korallentrümmer. Wenn sie es denn überhaupt mitbekommen haben. Die Medien haben jedenfalls nicht darüber berichtet und wer geht schon nachts mit Licht ins Wasser und dann noch auf dem Korallendach, also ohne blubbernde Flasche auf dem Rücken.

Klaglos schwimmen die anderen, weil sie nicht wissen, wie noch 1984 so ein Riff ausgesehen hat. Sie sind doch von der tagsüber vorhandenen Vielfalt des Lebens am Riff schier erschlagen. Außerdem geht es sie nichts an, wie es auf den Riffdach aussieht. Es ist eh nur ein Hindernis fürs Tauchen, beschwerlich zu Fuß zu überwinden und zerreißt einem obendrein noch den teuren Anzug!

Das Riff hat keine Lobby. Nirgendwo. Vom Rest-Regenwald hört man noch hin und wieder etwas, veranstaltet lahme Konferenzen. Aber vom Riff? Das gehört hier ja den Maledivern. Und wenn es weg ist, kommt eben eine andere Art von Touristen, mit Ghettoblastern und Luftmatratzen. Immerhin scheint ja noch die Sonne und Wind zum Surfen ist ja auch reichlich vorhanden. Wenn nur das Gequatsche über das Ozonloch nicht wäre... Wem das alles zu schwarz gezeichnet ist, der nehme bitte seine Lampe und schwimme einmal nachts um seine Insel, aber oben herum, mit Maske, Schnorchel und Flossen. Nachts, wenn das Leben im Schein der Lampe förmlich explodieren müsste - wie damals.


Nachts als die Unterwasserwelt noch in Ordnung war…
Tiefe: 1 m, Ari Beach, Ari-Atoll, 1989

Rückblick-Ausblick


Toddu, Rasdu-Atoll, 1984.

Eine kreisrunde Malediver-Insel nordwestlich von Kuramathi mit Trinkwasserbrunnen seit grauer Vorzeit. Um 1950 lebten hier ein paar Hundert Menschen im Einklang mit der Natur. Jetzt sind es ein paar Tausend. Der Strand ist immer noch Toilette, rechts für Frauen, links für Männer nach alter Sitte.

Aber unter Wasser war schon alles abgestorben. 1984 wohl bemerkt. Alles, aber auch wirklich alles an Korallen war tot. Dort entstand übrigens das Foto auf Seite ... von der für Schnorchler recht seltene Netzmuräne. Für mich war das der Beweis, dass wir Menschen für den Tod der Korallen schuld sind. Warum ist aber das Faro mitten im  Ari-Atoll genauso abgestorben? Keine erkennbare Strömung einer Touristeninsel führt hier her und trotzdem sind alle Korallen abgestorben. Kippt der empfindliche Indische Ozean um wie die Ostsee?
Nachts als die Unterwasserwelt noch in Ordnung hätte sein können...
Tiefe: 1 m, Kuredu, Faddhippolhu-Atoll, 1998
Januar 1993.

Der Jumbo flog in 12.000 m Höhe. Ein an sich klarer Wintertag auf dem Weg von London nach Bangladesch. Bald würde die Küste Indiens erscheinen. Zwischenlandung in Bombay. Kurz vor der Küste, und das schon seit den letzten 10 Jahren, verfärbt sich das Meer, mal grau, mal gelblich. Dabei fließt dort kein nennenswerter Fluss ins Meer. Es ist der Dreck der 10 oder 20 Millionen Einwohner dieser unwahrscheinlichen Stadt, Abwässer, aber mehr noch Abfälle der Chemieindustrie.

Auch der Anflug auf Karachi, Pakistan, sah seit 1970 noch nie anders aus. Wie lange schafft der Indische Ozean mit all seinen empfindlichen Korallen das noch? Start in Bombay Richtung Osten. Der indische Subkontinent lag dann in seiner gesamten Breite unter einer hässlichen braunen Smogschicht. Die Zeiten, in denen man links sitzend die imposante Kette des Himalajas in voller Länge und in herrlichster kristallblauer Klarheit auf dieser Route sah, sind lange vorbei. Jetzt ragt kläglich der Mt. Everest aus dem braunen Dreck am Horizont hervor.
Hier war mal jeder Quadratmillimeter belebt. Das Riff und das Leben erholt sich hier an der Nordseite nicht mehr. 
Tiefe: 1 - 5 m, Embudu, Süd-Male-Atoll, 2008

Ausblick? Wohin?


Januar 2012

Es ist schlimmer gekommen als vor 18 Jahren gedacht. Der Tourismus nahm zu, Inseln wurden immer weiter ausgebaut, erst recht als nach der Warmwasserwelle durch El Niño im Frühjahr 1998 alle Korallen zerstört waren.

Fast 10 Jahre haben die am schnellsten wachsenden Korallen gebraucht, um sich einigermaßen zu erholen. Aber viele Tiere sind ausgestorben, Fische und vor allem die Niederen Lebewesen, die am Riff an der Anfangskette des Lebens stehen. So gibt es kaum noch Krebse, Seeigel, die Artenvielfalt von Seesternen, Seewalzen und Fischen usw. haben drastisch abgenommen. Dafür stehen an den ehemals schönsten Stellen hässliche Wasserbungalows, die die Kapazität auch kleinster Inseln wie Angaga oder Ellaidhoo verdoppeln oder verdreifachen.

Im Jahr 2010 waren 791.917 Touristen auf den ca. 90 Ressort, 20,7% mehr als 2009. Korallen, die sich gerade erholt hatten, bleichen schon wieder aus. Die gestiegenen Abwassermengen geben ihnen neben der Versäuerung und Erwärmung des Indischen Ozeans den Rest. Die gewaltige Luftverschmutzung, die der Nord-Ost-Monsun aus China und Indien in den Wintermonaten über die Malediven schiebt, verringert die Lichtmenge, die die Zooxanthellen. für den Stoffwechsel der Korallen produzieren sollen, gewaltig. Korallen haben keine Chance mehr. Änderung ist ja nicht in Sicht. Also wird hemmungslos weiter gebaut...

Juni 2016 

Jetzt gibt es 24.233 Betten auf 112 Inseln  im einstigen Ferienparadies. Hinzu kommen 12 Hotels, 280 Gästehäuser und 112 Safariboote.

Es wird gnadenlos abgezockt. Die Preise sind exorbitant gestiegen. Prompt geht die Zahl der Europäer um 40.000 zurück - alleine im Monat August 2015. 

Aus der Statistik des Ministerium für Tourismus für den Monat August 2015:
Gesamt: 110.114 (2014:104.186)
aus Asien: 60.856
aus China: 40.814 (+7,8%), aus Japan: 4.408
aus Europa kommen 36,2% der Touristen
aus Großbritannien kommt mit 7.805 Besuchern die zweitgrößte Gruppe
Starker Rückgang der Touristen aus Russland: -31,6%

Seit Mai 2016 gilt eine Reisewarnung für Malé vom  Auswärtigen Amt.
„Die Malediven  verkommen zum Gangsterstaat“, schreibt die Frankfurter Rundschau.
Sonnenuntergang am dreckigen  Maledivenhimmel 
Embudu Süd-Male-Atoll, Februar 2008
Na, dann! Schönen teuren Urlaub auf den Malediven. Sehen sie sich nur vorher das Publikum auf der Insel an. Es ist keine Freude mit Chinesen und ihren Spuckgewohnheiten und Russen, ohne Rücksicht am Buffet, Urlaub zu machen.
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