Afghanistan


Es war eines der schönsten Länder der Welt

Afghanistan
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Von Kabul in Richtung Osten

Von Kabul aus über die trockene, staubige Ebene in Richtung Osten versperren nach 20 km Berge den Weg. In den Sechziger Jahren projektierten und bauten Deutschen und Österreichern (?) hier eine kühne, kurvenreiche Straße mit vielen Tunneln entlang des Kabulflusses hinunter in ein wild zerklüftetes Tal. Der Höhenunterschied ist für Afghanistan nicht gewaltig. Es sind nur so um die 1000 Meter. Und doch: es ist eine der schönsten Gebirgsstraßen der Welt; jedenfalls für den Autor.
Dieses für hiesige Verhältnisse kaum bemerkenswerte Bergmassiv liegt an der südlichen Seite der Hochebene, auf der Kabul liegt, kurz vor der Schlucht Tangi Garu. Die Aufnahme entstand im Winter auf der Rückfahrt vom Baden im Kabulfluss ca. 100 km östlich von Kabul. Die Sonne geht gerade unter und hier oben ist es kalt. Die Freunde waren an diesem Tag 30 km weiter westlich an der Straße nach Kandahar - zum Skilaufen.

Tangi Garu

Durch die Schlucht der Tangi Garu führt die einzige
richtige Straße, auf der man Kabul in Richtung Osten
verlassen oder erreichen kann. Eine wichtige
Verbindung Richtung Pakistan. Über diese Straße
kommen alle Güter, die per Schiff nach Karachi
kommen und für Kabul bestimmt sind. Dann wird die
Fracht auf die Bahn verladen und 2000 km nach
Norden bis Peshawar gebracht. Von dort geht es die letzten 300 km per LKW über den Khyberpass und
durch die Tangi Garu nach Kabul - jedenfalls in
Friedenszeiten.

Durch die Schlucht windet sich der Kabulfluss.
Zwischen Peshawar und Rawalpindi fließt er dann in
den Indus. Das Wasser, das er hier führt, kommt aber
nicht aus der Stadt. Da ist er meist ausgetrocknet.
Ist schon ein abenteuerlicher Verlauf, den die Straße in der Schlucht an vielen Stellen nimmt.

Mahipar - die Wasserkraftanlage (WKA) in der Tangi Garu

Das Wehr oberhalb der WKA Mahipar enthält eine kleine Wasserreserve für kurze Spitzenlasten. Rechts im Berg fällt das Wasser dann 334 m in die Tiefe auf die Turbinenschaufeln. Die „Betonschwergewichtsmauer“ ist 20 m hoch. Die installierte Leistung beträgt 3 x 22 MW. So steht es auf der Seite der Erbauerfirma.
Nach einigen Kilometern hat der
Kabul schon soviel Wasser
angesammelt, dass die Deutschen hier zusammen mit dem Straßenbau ein kleines
Wasserkraftwerk hingebaut haben: Mahipar.

Hätten sie es mal gelassen. Es war eine grandiose Fehlplanung, wurde damals gemunkelt. Der Fluss führt zuviel Sand mit und der zerschlägt immer wieder die Turbinenschaufeln. Für ein großes Wasserbecken, in dem sich der Sand absetzen kann, ist kein Platz in der Schlucht. Da hatten die Firmen ein ziemliches Problem.
Die Tangi Garu windet sich durch wildes Gebirge. Links geht es nach Kabul (aus Google Earth).
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Mai 2018

 Wenn die (nachlassenden) Kenntnisse in Farsi dari nicht täuschen, heißt Mohi - Fisch und par - Quelle (?)
Mahipar - Die Wasserkraftanlage in der Tangi Garu
Nachdem sich schon vor 2-3 Jahren der Sohn des Straßenbauers (um 1960) bei mir gemeldet hatte, sein Wissen darüber aber hier nicht zur Verfügung stellen wollte, meldete sich zu meiner Freude Herr R. aus Trier.

Er war am Bau der relativ kleinen Wasserkraftanlage (WKA - neu gelernt) in der Tangi Garu beteiligt. Er hat Anlagen in aller Welt gebaut. Gestolpert ist er über den Text oben, dass die 100 Millionen DM „in den Sand“ gesetzt sein sollten. Das WKA wurde 1966 fertig gestellt, lief aber 1970 nicht mehr und in Kabul wurde es so erzählt.

Schlägt man jetzt bei Mr. Google nach, kommt unter „Sarobi“ die die Meldung, die WKA sei wegen Wassermangel abgeschaltet (undatiert). Auf der Seite Deutsche Zusammenarbeit mit Afghanistan ist zu lesen, der Auftraggeber sei das  Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die Durchführung lag bei der KfW. Die Rehabilitierung der WKA Sarobi und Mahipar erfolgte von 2002 bis 2014. Ersatzteile wurden von 2013 bis 2017 eingebaut.

Die Kavernen

Auf der Aufnahme vom Bau ist einer der beiden Sandfang - Kavernen von Mahipar zu sehen. Das Bild entstand 1966 und wurde von Herrn R. zur Verfügung gestellt.
Im Kanal in der Sohle sammelt sich der Sand. Er muss regelmäßig durch Öffnen von Schiebern am Auslauf in den Fluss unterhalb  der Anlage geleitet werden und darf natürlich nicht auf die Turbinenschauifeln kommen - was scheinbar von Anfang an schief lief.

Nur das Wasser oberhalb der Kanäle ohne Sand darf dem Antrieb dienen.

Durch die komplizierte und anspruchsvolle  Bedienung ist wohl das Projekt lange Zeit nicht optimal gelaufen. Aber Ausbildung von einheimischen Fachleuten ist in Afghanistan immer ein großes Problem gewesen. Man darf nicht vergessen wie lange hier der Krieg schon tobt.

Das die westlichen Firmen von 2002 - 2017 hier Fachleute herbekommen haben, ist schon ein Wunder. Wie oft ist in dieser Zeit das alte Interkontihotel überfallen worden. Es gab dabei viele Tote. Alleine der Weg in die Tangi Garu außerhalb Kabuls ist ein Wagnis. Die Schlucht kann ja mit einem einzigen Gewehr beherrscht werden. Und die Taliban sind in keiner Weise daran interessiert, dass es den Hauptstädtern gut geht und sie Strom haben.
Heute würden man bestimmt an dieser Stelle mit dieser Technik so eine Anlage wohl nicht mehr errichten.
Die 3 Bilder sind von Joseph, einem Kollegen von Peter, der bis Januar 2007 in Kabul war. Sie sind vom Dezember 2003. Sie zeigen die Straße in ziemlich schlechtem Zustand. Sie soll aber 2007 eine neue Teerdecke bekommen haben.

Interessant die gemauerte Tafel. Demnach ist es verboten, Mörsergranaten, Minen, Handgranaten usw. nach Kabul reinzubringen: Wer hätte das gedacht!
Einer der vielen Tunnel der Tangi Garu
Wirklich: Man darf keine Panzerfäuste nach Kabul bringen! Dies Betontafeln gab es schon immer an den Einfahrten nach Kabul. Nur waren damals lediglich ein Gewehr und ein Revolver zu sehen.

Der Kabulriver am Ausgang der Tangi Garu

Ab hier wird der Fluß richtig schön. Er hat nicht mehr die schwarzen Wasserreste, die in Kabul zu sehen sind.
Dann öffnet sich das Tal. Wie lange wird der Fluss wohl gebraucht haben, diese Geröllmassen abzulagern? Das Wasser ist kristallklar und trinkbar, jedenfalls für die Nomadenfrauen. Das
kräftige Rot der Kleidung ist weithin zu sehen.

Das soll es auch, signalisiert es doch: Ich bin unverheiratet. Und mein Vater will auch nur 13 weiße Reitkamele für mich…
Die Straße führte jetzt auf den
Sairobistausee zu und an der
letzten Biegung oberhalb des
Sees...

... gab es den schönsten Ausblick in ganz Afghanistan: Der Blick über zerklüftetes Bergland mit Blick auf das Suleimangebirge im Hintergrund. Das Bild ist im Frühjahr gemacht. Der grüne Schimmer hält nur wenige Wochen an.

Dort in den Bergen, an der
pakistanischen Grenze, hätten die Amis beinahe Osama bin Laden in Bora Thora erwischt.

Der schönste Ausblick auf der Fahrt nach Sairobi
Wenige Tage später hat die Sonne die Landschaft schon wieder verdörren lassen. Nur noch die Felder, die bewässert werden, sind in der absolut baumlosen Landschaft grün.

Sairobi

Auf der Landzunge links der Mitte des Bildes liegt der kleine Ort Sairobi. Von Kabul aus bis hierher sind es 80 km. Es war kein Ort, wo man freiwillig anhielt. Doch die Landschaft ist atemberaubend schön. Das Bild ist im Spätsommer gemacht. Der See hat kaum Wasser.
Die folgenden 6 Bilder sind alle von der Mitte des südlichen Seeufers aus aufgenommen worden.

Hier geht der Blick von der Mitte
des Südufers des Sairobistausee
direkt nach Norden.

Am gegenüberliegenden Ufer die
"Tote Stadt". Nicht einmal unsere
Afghanen konnten uns sagen, wie
lange die Stadt schon verlassen
war.


Drei Bergketten hinter einander,
jede hat eine andere Farbe. Man
hat gemunkelt, dass der rote Berg
aus purem Eisenerz von
ungeheuerer Konzentration ist, mit
höherem Gehalt an Eisen als in
Schweden.

Da es aber keinerlei Infrastruktur,
keinen Meter Eisenbahn, keinen
Hafen (außer Karachi in 2000km
Entfernung und in einem anderen
Land) gibt: Wie soll man da Erz
abbauen? Zum selber verhütten
fehlt auch noch die Energie, so
wird es wohl noch lange dauern,
bis sich der Abbau mal lohnt.

Blickrichtung Nordwest. Am linken
Bildrand windet sich die Straße in
Richtung Tangi Garu, zurück nach
Kabul.
Die Aufnahme vom Panzer ist
wieder von 2003. Die Russen
haben ihn stehen gelassen,
bestimmt nicht freiwillig. Es muss
ungefähr die Stelle sein, wo der
Saluki steht.
Blickrichtung Nordwest. Am linken
Bildrand windet sich die Straße in
Richtung Tangi Garu, zurück nach
Kabul.
Auf diesen beiden Bildern geht der
Blick nach Nordosten. Es ist fast
der gleiche Standpunkt. Das obere
Bild entstand im Frühling, das
untere im Sommer.
Die Aufnahme vom Panzer ist
wieder von 2003. Die Russen
haben ihn stehen gelassen,
bestimmt nicht freiwillig. Es muss
ungefähr die Stelle sein, wo der
Saluki steht.
Unverheiratet, aber bestimmt schon versprochen. Ein Onkel wird sich, wenn das Mädchen so 10-12 Jahre alt ist, mit der Familie schon über den Brautpreis einig geworden sein. Spätestens mit 15 oder 16 wird sie einen Mann haben, den sie nie vorher gesehen hat und der so viele Kinder wie möglich bekommen will. Der Autor war mal Zeuge eines solchen Brautkaufes.
Einmal, auf der Rückfahrt nach
Kabul, rasteten Nomaden am
östlichen Ufer des Sairobisees. Die
Sonne stand schon tief und warf
lange Schatten.

Da erwachte das Leben zwischen
den Zelten. Die Kutschis bereiteten
sich darauf vor, ihre Zelte
abzubrechen. 

Wegen der großen Hitze wandern sie nachts. Jetzt im Herbst kamen sie aus dem Norden und zogen über die Berge quer durch das Land in Richtung des Persischen Golf. Dort ist es im Winter schön warm und es wächst Futter für ihre Tiere. Kutschis brauchen keine Straßen. Kaum vorstellbar, dass es heute noch Normaden gibt. Der Krieg seit 1979 hat ihre Wanderungen unmöglich gemacht. Schade. 
Schön war das Land vor den Revolutionen. Das Leben lief in ruhigen Bahnen. Mögen die Menschen nach unseren Definitionen zwar arm gewesen sein, aber hungern musste keiner in Afghanistan.

Schade, dass die Russen in ihrer Gier nach einem eisfreien Hafen hier eingefallen sind. Schade, dass religiöse Eiferer das Land ins Jahr 622 n. Chr. zurückbomben wollten und es beinahe geschafft hätten (oder, 2019 - wenn die Amis abziehen - haben).

Schade, dass die Amis und die Deutschen den gleichen Fehler wie die Russen gemacht haben.

Schade um Afghanistan!.







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